… nachdem wir Morgens gegen 06:30 Uhr aufstehen, frühstücken (für mich und Lasse gibt’s „Oatmeal“ mit Rosinen – oder zurzeit auch noch importiertes deutsches Müsli) und Lasses Kindergartenrucksack mit der Thermosflasche mit heißem Wasser befüllen – ja ganz chinesisch trinkt Lasse nun warmes Wasser (ein Lätzchen, ein kleines Gesichtshandtuch in einer Tupperdose und das Lehrer-Eltern-Kommunikationsbuch sind auch mit drin), geht’s los. Lasse auf dem Laufrad und ich auf dem Fahrrad. Sofern ich Lasse davon abhalten kann, alle Knöpfe im Fahrstuhl zu drücken, sind wir auch relativ schnell auf der Straße und fahren durch unsere Wohnsiedlung vorbei an der Müllsammelstelle (der Müll wird zwar eigentlich in Mülltonnen getrennt, aber dann doch in einem Durchgang nochmals sortiert – leider sind bei den Sortiersachen manchmal auch weniger appetitliche Sachen, wie Lebensmittelreste und heute morgen dann auch eine Toilette mit anderen Resten dabei…). Durch ein kleines Seitentor geht es dann raus auf die Straße.
Mittlerweile kann ich auch (fast) sorglos mit Lasse die 6-8 spurigen Straßen überqueren (je zwei Spuren für Autos, dann Abbiegespuren und jeweils eine Spur für E-Bikes und Fahrräder, Rechtsabbieger donnern immer über die Kreuzung – der stärkere hat Vorfahrt…), ohne dass ich aktiv Lasse fest oder zurückhalten muss. Nach der zweiten großen Kreuzung (ohne Ampel) kommen wir zu unserem Neighborhood Center, wo es einen Supermarkt, Restaurants und weitere diverse kleine Läden gibt. Häufig spielen hier bereits am Morgen einige Männer Basketball auf zwei mit Körben ausgestatteten Plätzen – am Nachmittag auf dem Rückweg ist jedoch deutlich mehr los. Anschließend flitzt Lasse noch ein zwei Rampen mit dem Laufrad hinunter bevor man auch schon die Morgens-Willkommens-Musik des Kindergartens hört. Die Männer der gegenüberliegenden Autowerkstatt und Waschstraße freuen sich jeden Morgen, wenn sie Lasse sehen – aber Lasse ist das alles nicht so ganz geheuer, so dass ich freundlich lächelnd an den Leuten vorbeischiebe. Die netten Wachleute am Kindergarten winken eifrig Lasse zu, der jedoch ganz damit beschäftigt ist, sein Laufrad am Rand des Zauns zu parken und mit dem Schloss anzuschließen. Dann bekommt Lasse die Kindergarten-ID-Karte, um am Eingang registriert zu werden und anschließend wartet auch schon die Kindergarten-Krankenschwester mit der allmorgendlichen Gesundheitsinspektion – einmal mit der Taschenlampe in den Mund gucken und dann noch beide Hände von innen und außen begutachten (ab wann ein Kind genau nicht mehr in den Kindergarten darf, ist mir jedoch bei dieser Untersuchung noch nicht so klar geworden). Anschließend bringe ich Lasse in seinen Klassenraum, wo er eigentlich immer als erster ist, sage „Tschüss“ und mache mich mit dem Rad auf den Weg zur U-Bahn Station. Nach knappen 10min stelle ich mein Rad ab, schließe es an – bisher wurde uns noch nichts geklaut (hatte sogar einmal meine Handschuhe auf dem Rad liegen gelassen und sie am Nachmittag glücklicherweise immer noch dort vorgefunden) – und gehe mit meiner Karte für öffentliche Verkehrsmittel (eine einfache Aufladekarte) durch die Kontrolle. Mein Rucksack wird auch jedes Mal von den Wachmännern abgescannt, aber ob das wirklich was bringt, weiß ich ja nicht. Die Bahn fährt Morgens alle 5 Minuten, so dass man nicht wirklich lange zu warten braucht – kaum ist die Bahn da, drängelt jeder gute Chinese – das mit dem „zuerst aussteigen lassen und dann einsteigen“ funktioniert hier nicht so wirklich – jeder guckt einfach wo er bleibt und quetscht sich durch. Die wenigen Sitzplätze, die es in der Bahn gibt, sind hauptsächlich für Ältere, Schwangere oder Mütter mit Kindern (da sind die Chinesen übrigens sehr sehr zuvorkommend – jedes Mal wenn ich Lasse dabei habe, wird mir unverzüglich ein Platz angeboten…). Aber die U-Bahn ist deutlich neuer, sauberer und trotz allem nicht so voll wie die Busse. Sie ist ein wenig teurer, aber mit umgerechnet 30cent pro Fahrt immer noch deutlich billiger als in Deutschland 🙂 Nach 10min quetsche ich mich dann wieder aus der Bahn hinaus, gehe durch einen kleinen Park, bewundere einige ältere Chinesen bei deren morgendlichen Tai Chi Übungen und bin dann auch schon in dem riesigen Bürogebäude, wo ein kleiner aufgeteilter Raum meine Sprachschule beherbergt. Aber zuerst auf den Aufzug warten – hier stellt man sich in einer Reihe auf – rechts fürs Stockwerk 3-15, links für die restlichen 10 Stockwerke. Je nach „Rushhour“ wartet man aber auch mal 10min auf den Aufzug (obwohl es insgesamt 6 gibt). Ist endlich der ersehnte Aufzug da, wird dieser erstmal bis zur Beladegrenze vollgeladen und dann geht’s los – wenn es denn losgeht. Denn in letzter Zeit müssen immer zwei bis drei Leute von Innen gegen die Türen drücken, damit diese schließen – ich weiß nicht ob es an der Kälte liegt oder ob die Aufzüge einfach schlecht verarbeitet sind… In meiner Schule angekommen zapfe ich mir dann auch erstmal heißes Wasser in meinen Thermobecher – pimpe mein Wasser aber meistens mit Kaffeepulver oder Tee, bevor mein Unterricht beginnt. In der Pause geht’s dann auch mal kurz auf die Toilette – jeder „gute Chinese“ hat natürlich seine eigenen Tempos etc. dabei denn die Toilettenetikette wird hier nicht so groß geschrieben – soll heißen Klopapier gibt’s nur in den wirklich besseren Restaurants oder Institutionen etc. (Deshalb nimmt man – oder zumindest Frau – ja auch immer die überschüssigen Servietten beim Mittagessen mit, was mich am Anfang ein wenig verwundert hat, aber nützlich ist es…) Eine weitere Sache, die ich bei meinen ersten Waschraum-Besuchen merkwürdig fand ist, dass da immer ein großes Sieb mit einer noch größeren Schüssel oder Eimer am Waschbecken steht und dann weniger appetitlich Essensreste drin sind. Mittlerweile habe ich mich ja daran gewöhnt und es ist durchaus praktisch für die Chinesen, die ja sehr viel losen Tee trinken. Und wenn man seine Tasse ausspülen will kann man die Reste eben dorthinein kippen und läuft nicht Gefahr die Waschbeckenabflüsse zu verstopfen. Das Gleiche gilt für die Reste der mitgebrachten Mittagsmahlzeit… Ich finde es immer noch nicht lecker, aber zumindest sehe ich den Nutzen.
Nach meinem Unterricht gehe ich meistens mit meiner Lehrerin in chinesische Kantinen-Selfservice-Restaurants essen – je nachdem kostet mich ein bisschen Gemüse oder Fleisch (zwei oder drei verschiedene kleine Tellerchen) mit Reis knappe 2,50€. Die Auswahl des Essens meistere ich immer noch hauptsächlich mit dem klassischen darauf Zeigen. Und wenn ich mal die Auberginen oder den Brokkoli auf chinesisch bestelle, antwortet die Essensausgabe mit begeisterten – für mich wenig verständlichen – Worten. Anschließend genießt meine Lehrerin einen klassisches Büronickerchen – was so ziemlich jeder Chinese macht (einfach die Tastatur zur Seite schieben und Kopf auf dem Schreibtisch ablegen), während ich mit der U-Bahn zurück fahre (bei schönem Wetter spielt das ältere Semester im Park mit einem chinesischem Jojo – richtige Kunstücke werden vollbracht oder auch das Jojo über ein Netz sich gegenseitig zugeworfen…) Ich lerne dann in dem ein oder andere Café /Bäckerei, mache Hausaufgaben und besorge dann direkt ein recht gutes Vollkorn- oder Sauerteigbrot (German Rye) (gelegentlich werden auch Laugenbrezeln verkauft :-), bevor ich Lasse gegen 15:45 Uhr aus dem Kindergarten abhole.
Da ich dem Gedrängele am Tor – ja selbst beim Kinderabholen will jeder der Erste sein – meistens entgehe bin ich zwei/drei Minuten nach der Öffnungszeit am Kindergarten. Aber Lasse interessiert das meistens sowieso recht wenig, da er auch gerne weiterspielt. Gegen 16:20 Uhr müssen wir jedoch ggf. auch gegen Lasses Willen den Kindergarten verlassen und werden wegen des „Security Checks“ herausgebeten. Dann geht es durch das Neighborhood-Center, in dem jetzt das Leben erst richtig aufblüht, zurück. Je nach Lasses Lust und Laune dreht er dort diverse Runden auf seinem Laufrad zur Belustigung vieler älterer Chinesen, die ebenfalls ihre Kinder aus den umliegenden Kindergärten abholen, fährt das Rolltreppenband zum Supermarkt hoch und runter oder zerrt sein Laufrad über verschiedenen Treppenaufgänge. Der ein oder andere neugierige Chinese möchte Lasse hin und wieder helfen und das Laufrad die Stufen hinauf oder hinunter tragen – mitunter sind sie sehr besorgt um Lasse – da ich jedoch einschätzen kann was er alleine kann antworte ich trocken: „ta keyi de“ (er kann das) oder „mei wenti“ (kein Problem). Richtig schlimm ist das nämlich auf dem Spielplatz, wenn ich Lasse alleine klettern lasse – ich denke die Chinesen halten mich schon für eine Rabenmutter…
Auf dem Rückweg wird dann ein längerer Stop bei den Basketballfeldern eingelegt, denn jetzt ist hier richtig was los. Während Lasse ganz bewundernd den Ballspielern hinterherguckt, sind die Getränkeverkaufsfrauen von Lasse verzückt, schälen ihm Sonnenblumenkerne und schieben sie in seinen Mund… Je nachdem welchen Weg wir nach Hause nehmen, gibt es auch schonmal Mandarinen geschenkt oder Erdnüsse werden einfach in seine Schuluniform-Jacke gesteckt. An wärmeren Tagen machen wir auf dem weiteren Weg dann auch noch einen kleinen Abstecher zu einem Spielplatz (mit finnischen Spielgeräten), bevor wir dann mit Sonnenuntergang zu Hause ankommen und mit der Familie ein „deutsches Abendbrot“ genießen 😉