Archiv für den Monat: Juni 2016

Xi’an und Huashan

Die Feiertage, die wir in China haben, unterscheiden sich doch stark von den deutschen.
Ich glaube, die einzigen Gemeinsamkeiten sind der 1. Mai und Neujahr.
Am 4. April hatten wir daher einen Tag des Ahnengedenkens – also so ähnlich wie Allerheiligen in Deutschland.
Das verlängerte Wochenende nahmen wir zum Anlass, einen Ausflug nach Xi’an zu machen.
Xi’an war – strategisch günstig in der Mitte Chinas gelegen – vor mehr als 2000 Jahren die erste Hauptstadt Chinas, und ein wichtiger Stützpunkt auf der Seidenstraße.
Ganz in der Nähe der Stadt steht die berühmte Terrakotta-Armee. Sie ist Teil einer Grabanlage, die ein Kaiser der Qin-Dynastie 200 vor Christus über 36 Jahre von bis zu 700.000 Arbeitern errichten ließ. Über den Lauf der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, brachen 1974 Bauern beim Graben eines Brunnens durch das Dach der Anlage. Nach und nach fand man tausende lebensgroße Krieger mit Pferden, Waffen und allem Drum und Dran. Hier weitere Informationen.
Unser Trip fing etwas holperig an, denn ich hatte unseren Flug statt am Samstag früh aus unerfindlichen Gründen erst für Nachmittag gebucht. Wir standen also morgens um 7 am Flughafen, und konnten nicht einchecken. Gegen einen saftigen Aufpreis konnten wir aber immerhin umbuchen, und doch morgens noch losfliegen.
Vor Ort nahmen wir direkt ein Taxi zu den Terrakotta-Kriegern – auf Chinesisch 兵马俑 – BingMaYong. Von vielen Seiten hatten wir gehört, dass die Anlage recht enttäuschend wäre. Vielleicht lag es also an niedrigen Erwartungen, dass wir extrem beeindruckt waren.
Man geht davon aus, dass bisher etwa die Hälfte der Anlage ausgegraben ist, und man kann jetzt schon drei verschiedene Hallen mit vielen unterschiedlichen Formationen besichtigen.

Nachdem wir uns satt gesehen hatten, verhandelten wir mit anwesenden Taxifahrern einen Preis zum Huashan. Einer der fünf heiligen Berge in China, der durch mehrere Gipfel, verbunden durch steile Bergpfade, sehr ausgesetzte Treppen und Klettersteige, beeindruckt.
Bis vor ca. 15 Jahren war der Aufstieg ein lebensgefährliches Unterfangen, da an bis zu 70° steilen Flanken nur ein paar kleine Tritte in den Fels geschlagen waren.

Nicht viel Halt vor dem freien Fall.

Nicht viel Halt vor dem freien Fall.

Heutzutage ist alles gut abgesichert, und es gibt auch zwei Seilbahnen, die die Touristenmassen auf den Berg bringen.
Wir nahmen uns aber lieber den ganzen Sonntag Zeit und wählten den Aufsieg zu Fuß. Von 700hm geht es auf 2155hm hinauf. Hierfür aktivierten wir wieder die Kraxe, da Lasse natürlich nicht so viel wandern kann. Dementsprechend brauchten wir für den Aufstieg ca. 5 Stunden – bis zum ersten Gipfel. Wir hatten es aber auch nicht sonderlich eilig, denn eine dichte Wolkendecke lag über dem Berg, so dass wir nach den ersten paar hundert Höhenmetern in den Wolken wandelten und von dem beeindruckenden Panorama lange Zeit nichts sahen.
Für den Nachmittag war aber ein Aufklaren vorhergesagt, so dass es nicht allzu schlimm war, sich oben in den Touristenmassen, die zusätzlich noch von der Seilbahn ausgespuckt wurden, langsam über die Steige und Gipfel zu schieben.

Für den über dem Abgrund hängenden Klettersteig hatten wir extra unsere Sitzgurte dabei – als es tatsächlich später am Nachmittag aufzuklaren begann, stellten wir uns damit in die Schlange der nicht gerade sehr trittsicheren Chinesen an, um einen der beiden Steige zu klettern. Wir mussten über eine Stunde warten, und die Aufpasser am Einstieg überreden, dass wir auch mit Lasse in der Kraxe den leicht überhängenden Abstieg schaffen könnten.
Die Wartezeit wurde immerhin von der sich nach und nach zeigenden Aussicht versüßt. Nach dem Klettersteig mussten wir dann schnell zur zweiten Seilbahn laufen, bevor diese um 19Uhr schloss, um noch eine Talfahrt zu ergattern. Denn inzwischen waren wir von den tausenden Stufen mit schwerem Lasse auf dem Rücken doch ziemlich fertig.

In der Dunkelheit kamen wir unten an und mussten dann noch einen Shuttlebus zurück in den Ort nehmen. Dort waren wir aufgrund der fortgeschrittenen Stunde versucht, noch eine zweite Nacht hier zu bleiben und am nächsten Morgen mit dem Zug wieder nach Xi’an zu fahren.
Dann überredeten wir aber doch noch einen Taxifahrer, uns für 400RMB (ca. 60€) die 120km zu fahren. Wir hatten ja in Xi’an auch schon ein Hotel reserviert, das sonst verfallen wäre.

Der Taxifahrer gurkte zunächst mit seiner Rostlaube über nervige Nebenstraßen zum Tanken und schlingerte uns dann mit 80km/h (120 sind erlaubt) über die Autobahn. Und obwohl wir ihm klar machten, dass wir den Weg kennen und ihn zum Hotel lotsen würden, hielt er kurz nach Ortseingang an, um uns an einen lokalen Kollegen zu übergeben. Von den vereinbarten 400RMB sollten wir ihm 300 und dem Kollegen 100 zahlen. Da wir nun aber schon fast am Ziel waren, kauften wir uns mit 300RMB frei und nahmen das nächstbeste Taxi, um uns flugs und mit Taxameter für 20RMB zum Hotel sausen zu lassen.

Am Montag unternahmen wir nach dem Ausschlafen dann eine Besichtigungstour durch Xi’an. Hier gibt es eine sehr große Muslimische Bevölkerung mit Moschee und muslimischem Viertel. Wir schlenderten also durch die Gassen und staunten über die vielen spannenden Essens-Stände und Basare.

Granatapfel

Granatapfel

Die sehenswerte riesige Stadtmauer ließen wir aus und probierten uns lieber durch diverse lokale Spezialitäten, wie frittierte Banane, Fladenbrot, scharf gewürzte Kartoffeln und Waffeln.
Die mit Innereien aller Art köchelnden Suppen ließen wir lieber aus…
Am Nachmittag ging es dann auch schon wieder zum Flughafen und zurück nach Hause, wo wir nach Mitternacht müde aber um viele Eindrücke reicher in die heimischen Betten fielen.

Fotogalerie:

Hongkong

Da Jule ihrer geregelten Arbeit nachgeht, braucht sie ein neues Visum.
Viele Ausländer, die in China arbeiten, haben ein Business-Visum, dass multiple Einreisen erlaubt, aber immer nur 30 Tage Aufenthalt im Land. Um erneute 30 Tage zu erhalten, muss man China verlassen und neu einreisen. Die günstigste Methode ist es, dafür nach Hongkong zu reisen. Man kommt relativ billig hin und braucht für Hongkong selbst zur Einreise zumindest als Deutscher kein Visum.
Dennoch ist diese Methode natürlich recht mühsam, weshalb Jule ja ihre Residency anstrebt. Aber auch um die Art der Aufenthaltserlaubnis zu wechseln muss man das Land verlassen. So kam Jule zu ihrer Hongkong-Reise, und da ich da auch noch nie war, fuhr ich gleich mit.
So ein Residence Permit ausstellen zu lassen dauert mindestens 4 Werktage. Also planten wir zwei private Wochenenden und für Jule die Woche dazwischen zum Warten aufs Visum ein.
Ich fuhr während der Woche mit der Fähre zu Kundenbesuchen ins benachbarte Guangzhou und nach Shenzhen, das über Nahverkehr auch mit Hongkong verbunden ist.
Was macht man also an zwei Wochenenden in Hongkong:
Natürlich zunächst mal die Stadt erkunden mit ihrer beeindruckenden Skyline. Dann die Umgebung entdecken, denn Hongkong besteht aus vielen Inseln und direkt hinter der Stadt geht es in die Berge, wo man unberührt wirkende Natur mit Wanderwegen und Stränden finden kann. Und zu guter Letzt Shoppen (aber das haben wir weniger extensiv betrieben ;))

Hongkong ist sehr interessant, wenn man das chinesische Festland kennt. Wir haben festgestellt, dass Hongkong ziemlich genau so ist, wie man sich China aus der Ferne vorstellt: Exotisch, asiatisch, gleichzeitig verfallen und hochmodern. Selbst die Sprache (Kantonesisch) hört sich chinesischer an als das Hochchinesisch, das man in Peking spricht. Das Nahverkehrsnetz ist stark von Großbritanniens Einfluss geprägt. Es gibt neben der Metro und Doppeldeckerbussen auch eine antiquierte doppelstöckige Tram, die durch die Straßen zuckelt. Da man während der Fahrt von oben eine super Aussicht hat, war diese sogenannte „Ding-Ding“ Lasses bevorzugtes Verkehrsmittel.

Lasse in der Dingding

Lasse in der Dingding

Am ersten Wochenende fuhren wir in das kleine Fischerdorf „Tai-O“. Hier stehen die Häuser alle auf Stelzen, die Straßen sind Wasserstraßen und die Bewohner fahren darauf mit ihren Booten, wie anderswo mit dem Auto.
Am zweiten Tag waren wir in Kowloon, hier stand früher die berühmte „Walled City“, die leider 1994 abgerissen wurde. Eine beeindruckende Bilderserie zu diesem ehemaligen Moloch, wo 33.000 Menschen auf 0.027km² lebten, findet sich bei Greg Girard.

Am zweiten Wochenende war endlich schönes Wetter und wir nutzten die Zeit für eine ausführliche Wanderung im Hinterland. Auf schmalen Pfaden ging es bergauf, und oben angekommen konnten wir den Gleitschirmfliegern beim Starten zusehen, die beliebig lange im Aufwind fliegen konnten. Lasse kletterte den ganzen Tag durch den Dschungel querfeldein alles alleine hoch und runter.

Am letzten Tag nutzten wir die Möglichkeit, unser Gepäck am Hauptbahnhof schon für den Flug einzuchecken und fuhren auf den Gipfel der Hauptinsel, von dem man einen tollen Ausblick über die Stadt mit ihren Wolkenkratzern hat, bevor es am Nachmittag für uns auch zum Flughafen und wieder zurück nach Suzhou ging.
Natürlich mit Jules neuer Aufenthaltserlaubnis im Pass.

Hongkong Impressionen: